Harmlos, oder etwa doch nicht?

Bloged in Manga by Ataru Wednesday October 5, 2005

Nachdem ich in den letzten Tagen erneut ein wenig in die japanischen Bände von Ichigo Mashimaro reingelesen und in einem Forum meine Gedanken zu Band drei und vier geschrieben habe, überfiel mir die Lust, im Net nach Reviews zum Manga auf Deutsch und anderen Sprachen zu suchen.

Gefunden habe ich nun viele Meinungen, sowohl im Usenet als auch in diversen Foren. Darunter waren auch einige Rezensionen von, sagen wir mal “seriösen” Homepages über Comics. Und was mir da aufgefallen ist, sind die starken Reaktionen, die dieser im Grunde doch harmlose Manga bei nicht wenigen Lesern auslöst.

Viel zu jung würden die Figuren aussehen, und für ihr Alter sich so auch benehmen – also ziemlich kindisch. Dem würde ich auch nicht gerade widersprechen, zumindest was das Aussehen der Figuren angeht. Nun geben auch nicht gerade wenige Leser die Meinung wider, der Manga sei was für Pädophile. Hier muss ich sagen, dass ich diesen Punkt etwas krass formuliert finde und ihn so nicht teile.

Tatsache ist, dass der Manga in Japan in einem Magazin für Otakus erscheint und dass im Manga mehrere sexuelle Anspielungen vorkommen. Bei den doch recht jungen Mädchen (2 x 11, 2 x 12 sowie 1 x 16) und der sehr niedlichen Atmosphäre, die dieser Manga mit seiner Handlung und seinen Zeichnungen verströmt, scheinen diese Anspielungen für eine wenig mangageübte Leserschaft auf den ersten Blick reichlich deplaziert zu sein. Dass die Handlung sich nun um das simple Alltagsleben dieser Mädchen dreht, und nicht etwa eine Action- oder Fantasygeschichte ist, verstärkt diesen Anschein nur noch weiter, er sei für Pädophile.

Mir scheint jedoch, dass Ichigo Mashimaro – wie bei sovielen anderen Manga auch – eine sehr selbstbewusste und ironische Ebene eingebaut ist, die diese “Problematik”, um es mal so zu nennen, doch wiederum wesentlich entschärft:

Da beschimpft etwa Miu im vierten Band einen einfachen Vertreter als perversen Räuber, und der kriegt dann später die Faust von Nobue zu spüren, da sie ihn tatsächlich für einen perversen Pädophilen hält (was er nicht ist).

Die ältere Nobue ist mit ihrer Toughness beinahe eine Art männliche Beschützerfigur für die anderen Mädchen, und ihr Penchant zu deren ihre Niedlichkeit lässt gleich die grössten Yuri-Phantasien hochkommen. Gleichzeitig wirkt schon rein ihre Präsenz in dem Manga auf mich wie “Guck mal, was ich im Gegensatz zu dir da alles erleben und teilen darf. Ätschbätsch!”

Die wenigen sexuellen Anspielungen wiederum kommen oft von der nervigen zwölfjährigen Miu, die entweder mit ihren nichtvorhandenen weiblichen Reizen die Aufmerksamkeit der anderen Mädchen gewinnen will, oder vor lauter Eifersucht sich mit Anas nichtvorhandenen weiblichen Reizen misst. Manchmal erlaubt sich Miu auch aus reiner Langweile einen derben Spass. Mal ehrlich: Sie benimmt sich echt kindisch für ihr Alter, aber wer ist schon perfekt?

Mehr ist nicht drin, und verglichen mit anderen Manga, insbesondere mit gewissen Shounen-Romanzen, sind die so berüchtigten Panty-Shots hier in diesem Manga auch nur selten zu finden. Der Rest findet in den Köpfen der Leser statt, wenn die denn das auch möchten.

Stellt sich nun die Frage, ob etwa schon rein Handlung, die sich um das Alltagsleben von jungen Mädchen dreht, und die Zeichnungen an sich reichlich suspekt und “schädlich” fürs Gemüt seien. Nun ja, man kann in sehr vielen Dingen pädophile Tendenzen reininterpretieren, doch hier bleiben die Zeichnungen und die Handlung recht neutral, ohne in grossem Sexismus abzuschweifen. Der Manga will in erster Linie durch einen absurden Humor die Leser unterhalten. Gleichzeitig sollen die Mädchen und deren Interaktionen niedlich wirken. Und das ist der Punkt: Die Mädchen werden niedlich dargestellt – in ihrem Aussehen und Benehmen. Viele Fans schreiben aus diesem Grund nun solche Manga (und auch Anime) einem Genre namens “Lolicon” zu, was die Abkürzung für “Lolita Complex” ist. Ein Manga also für Leute, die Freude an jungen und niedlichen Manga-Mädchen haben.

Wenn die letzte Zuschreibung nur bei diesem Punkt bleibt und kein sexuelles Interesse im Vordergrund steht, dann kann ich dem im Fall von Ichigo Mashimaro zustimmen. Letztendlich mag ich persönlich den Manga wegen seiner Niedlichkeit – dazu stehe ich voll und ganz – und den witzigen wie auch absurden Alltagssituationen der Mädchen. Er eignet sich hervorragend zum Entspannen und für ein reines Abschalten. Als Schweinekram taugt er hingegen rein gar nichts, weil weder die einzelnen Handlungen noch die Zeichnungen so vom Autor gedacht sind, und das scheinen japanische Fans auch so zu sehen: Mir ist beim letzten Aufenthalt im Land der aufgehenden Sonne aufgefallen, dass zu Ichigo Mashimaro kaum einschlägige Doujinshi existieren. Das sagt in meinen Augen schon vieles über den angeblich vorhandenen “phädophilen”-Aspekt des Manga aus.

Ergo: Der Manga ist sehr niedlich, er wirkt anrüchig, bleibt aber letzendlich recht harmlos, wenn man ihn mal zwischen die Zeilen liest und nicht alles biernerst nimmt.

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