Das “bessere” Evangelion? (Rahxephon)
Endlich bin ich nach knapp drei Jahren dazugekommen, von der Serie Rahxephon ein bisschen weiter als die ersten 5 Folgen zu schauen. Und das auch nur, weil ich die zweite und dritte DVD von ADV zu einem guten Preis von je 10 sFr /DVD gefunden habe.
Rahxephon hat von Beginn weg einen sehr soliden Ruf unter Animefans genossen. Nach den ersten neun Folgen verstehe ich auch ein wenig weshalb: Die Animation ist für TV-Verhältnisse sehr detailreich und flüssig geraten, die Musik ist mit ihrer Zurückhaltung angenehm atmosphärisch, das Opening und Ending trägt viel zur Stimmung bei, die Figuren sind durch ihre Mehrschichtigkeit interessant und die Handlung ist dank der Idee von Tokyo-Jupiter und den unterschiedlichen Zeiten origineller als andere Science Fiction Settings. Mir gefallen zudem die Andeutungen, dass noch grosse Überraschungen bevorstehen. Anders kann ich z.B. das grosse Interesse von Haruka an Hayato nicht interpretieren. Sie ist ja im gleichen Jahr wie Ayato (1999) geboren. Da muss doch eine Verbindung zwischen den beiden sein, nur weiss das Ayato nicht (mehr) :-)
Interessanterweise wird Rahxephon in Fankreisen schon seit Jahren mit Evangelion verglichen. Nicht wenige Leute sagen, die Serie sei das “bessere” Evangelion und mache alles richtig, anstatt wie EVA die Zuschauer vor dem Kopf zu stossen.
Ich finde den Vergleich mit Evangelion bisher (Folgen 1-9) etwas weit geholt. Klar, in Rahxephon dreht sich die Handlung ebenfalls um einen Jungen, der zunächst gegen seinen Willen einen Riesenroboter steuern und unbekannte Gegner mit bizarren Alien-Designs bekämpfen muss. Haruka ähnelt auch ein wenig der energischen Misato, der Kommandant von TERRA hat in seiner Schroffheit etwas von Gendo Ikari und die ganze Mu-Mystik erinnert leicht an die Engeln und NERV von Evangelion.
Im Unterschied zu Evangelion setzt Rahxephon allerdings auf Altbewährtes und wagt keine wirklichen Experimente: Dem Zuschauer wird eine Handlung vorgesetzt, die er, trotz absichtlich offengelassenen Lücken, ohne grosse Mühe verfolgen kann. Evangelion hingegen experimentierte bereits in der zweiten Folge mit seiner eigenen Erzählung, indem Shinjis Kampf mit dem ersten Engel mittendrin einfach unterbrochen und erst gegen Ende der Folge hin wieder aufgenommen wurde. Rahxephon ist gegenüber seinen Zuschauern brav, Evangelion weniger.
Weiter scheint mir, dass Rahxephon verglichen mit EVA mehr auf Mystik und atmosphärischer, new-age artiger Science Fiction setzt und somit anderen Serien aus dem Hause Bones und Sunrise nicht unähnlich ist (zum Beispiel Brain Powerd von Sunrise). Evangelion ging mit den grossen Komplexen und dunklen Geheimnissen aller Figuren jedoch mehr in Richtung abgrundartiger Psychoanalyse die zum Ziel hat, die Figuren auf ihren Charakter hin zu demontieren und gleichzeitig versteckt mit dem Finger auf die Vorlieben und Gewohnheiten der Zuschauer zu zeigen. Die beiden letzten Folgen von EVA sind ein Mix zwischen einer kompletten Auflösung der eigentlichen Handlung und einem mentalen Zusammenbruch der Hauptfigur Shinji, sowie deren Auferstehung. Diese Thematik und die Art und Weise der Erzählung ist dem nicht unähnlich, was man vom Art House Cinema her kennt.
Ich kann mir jetzt nicht vorstellen, dass Rahxephon den gleichen (experimentellen) Weg wie Evangelion einschlagen wird. Von daher finde ich den Vergleich beider Serien miteinander und die Behauptung, Rahxephon mache alles richtig was EVA falsch gemacht habe, bisher* unpassend. Beide Serien mögen sich ähneln, aber sie sind im Grunde genommen eben doch anders. Und der Frust vieler Animefans über das berüchtigte Ende der Evangelion TV-Serie sagt weniger über die eigentliche Qualität der Serie aus, als über das Unvermögen der Fans, einen Blick jenseits von ihrem eingeschränkten Erfahrungshorizont zu werfen. Aber das ist jetzt eine andere Geschichte ;-)
* (ich kann mich an dieser Stelle nur wiederholen: Ich habe lediglich Folgen 1-9 von RahXephon gesehen).
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