Aktuelle Serien: Was sich zu Gucken lohnt (Teil 1)
In letzter Zeit schaue ich wieder vermehrt Raws von aktuellen TV-Animes. Raws sind mir am liebsten, weil mich dort keine Untertitel und schlechte Übersetzungen vom eigentlichen Inhalt ablenken. Zurzeit bevorzuge ich leichte Kost, um mich ein wenig von den Strapazen des Tages zu erholen. “Düstere” Serien wie Darker than Black oder Claymore kommen von daher gar nicht in meine engere Auswahl rein – bei Bokurano mache ich eine Ausnahme.
Dieser Beitrag ist keine vollständige Übersicht über alle derzeit laufenden Serien. Ich schreibe lediglich, welche der derzeit laufenden Serien, die ich aktuell konsumiere, sich zu Schauen lohnen und weshalb.
Eine kurze Legende:
*: ganz ok, **: unterhaltsam, ***: Muss man gucken
a: Gute Animation m: Gute Musik hi: Gute Hintergründe
g: Gute Geschichte/Handlung f: Interessante Figuren
h: Humor/durchgeknallt s: spannend Me: Melodramatisch ni: niedlich
n: Nostalgie-Faktor x: gewaltätig +: ausgezeichnet (z.B. m+ = ausgezeichnete Musik)
Tengen Toppa Gurren Lagann: **, a m+ h
Die neue SF-Actionserie von Gainax hat Feuer am Arsch. Will heissen: Sie ist nie wirklich langweilig, wartet mit viel Coolness und einem fetzigen Soundtrack auf und bietet auch jede Menge Humor und Fanservice. Die Handlung bietet bis jetzt (Folge 6) eigentlich wenig, um die grauen Hirnzellen anzuregen oder fiebernd auf die nächste Folge zu warten – der Handlungsbogen ähnelt eher dem einer Monster-der-Woche Serie, aber wir reden hier vom legendären Otaku-Studio Gainax, das schon immer für Überraschungen gut war. In den nächsten Folgen wird sich herausstellen, ob und wie eine über mehrere Folgen umfassende Geschichte in Gang gesetzt wird.
Nagasarete Airantou: *, h ni
Nagasarete Airantou ist die vielleicht zugänglichste Comedy-Serie der Saison. Man braucht keine Kenntnisse in Sachen Anime oder Manga, um dem bunten Treiben rund um einen klassischen Looser folgen zu können. Die Serie basiert auf einem gleichnamigen Manga der Zeitschrift Comic GanGan aus dem Hause Square-Enix.
Die Handlung in groben Zügen: Ein Junge namens Ikuto haut wegen seines autoritären Vaters von Zuhause ab und landet im Pazifik auf einer abgelegenen Insel, wo nur junge Frauen leben und auch bizarre Viecher rumtreiben & übergrosse Pflanzen wachsen. Er freundet sich schnell mit der herzensguten, bärenstarken und auch etwas einfach gestrickten Suzu an und erlebt mit ihr und der restlichen Truppe durchgeknallter Figuren lustige Momente.
Nagasarete Airantou ist ein klassischer Harem-Anime. Als Abwechslung für die kleine Langeweile zwischendurch ist die Serie ganz in Ordnung geraten. Ein Pluspunkt gibts für die Stimme von Yui Horie als Suzu. Warnung: Es gibt jede Menge antropomorhper Viecher, die auf ihren Namen lautende Grunzgeräusche vor sich geben. Wer sich daran nicht stört, kann ruhigen Gewissens in die Serie reinschauen. Die bisherigen Höhepunkte waren die Jagd auf Ikuto in Folge 2 und der Kampf mit schleimigen Pilzen in Folge 3 – seither wiederholen sich die Witze ein wenig.
Hitohira: **, g f h ni Me
Das ist die kleine Überraschung der Saison, eine Art “Anti-Glass no Kamen”: Die sehr schüchterne Asai Mugi kommt in eine neue Schule, wo sie wegen eines Missverständnisses gleich in einem Theater-Klub eingeschrieben wird und sich mit Nono auseinandersetzen muss, die mit allen Klubmitgliedern streng umgeht und bald ihre Stimme verlieren wird. Mugi hat zunächst sehr wenig Selbstvertrauen, und auf einer Bühne vor vielen Menschen zu stehen ist für sie der perfekte Stoff für Albträume. Durch viel Zureden kriegt Mugi jedoch langsam Mut und wagt den Schritt ins Scheinwerferlicht.
Hitohira wirkt wie ein “Shoujo”-Anime für jüngere Zuschauer, ist es aber strenggenommen nicht: Die Serie basiert auf den gleichnamigen Manga von Izumi Kirihara und erscheint derzeit in der Zeitschrift Comic High, die sich mit ihrem Genremix und Zeichenstilen an etwas ältere Mangafans richtet.
Neben der leicht melodramatisch angehauchten Handlung vermag die Serie durch die Interaktion zwischen den verschiedenen Figuren zu überzeugen. Keine der Figuren wirkt mit ihren Eigenschaften zu übertrieben oder zu schrill, und alle haben was Sympathisches an sich. Das Opening und Ending sind recht niedlich geraten, ohne gleich Ohrenschmerzen auszulösen, und die Hintergrundmusik kann in wichtigen Szenen überzeugen. Ich empfehle die Serie all denjenigen Animefans, die auf der Suche nach einer ruhigen Serie sind mit einer einfachen Handlung und sympathischen Figuren.
Bokurano: *, a hi f s x
Bokurano ist die einzige “düstere” Serie, die ich derzeit schaue. Sie basiert auf den gleichnamigen Manga von Mohiro Kitô, der sich im Westen für seinen kontroversen Sciencefiction-Manga Naru Taru (erhältlich bei EMA) und dessen Animeverfilmung einen Namen gemacht hat. Wie in Naru Taru täuscht auch in Bokurano die Handlung den Zuschauern zunächst eine heile Welt vor, hinter der jedoch tiefste menschliche Dramen und Abgründe stecken: 15 junge Schüler stossen in ihren Sommerferien bei der Erforschung einer Höhle auf einen mysteriösen Mann, der vorgibt, ein Spiel mit einem Riesenroboter zu entwickeln. Er lädt die Schüler dazu ein, sich als Piloten des Roboters am Spiel teilzunehmen. Tatsächlich taucht dann bald ein 500 Meter hoher mysteriöser Roboter auf, der gegen einen unbekannten Gegner kämpft und in dem sich die Schüler plötzlich befinden. Die Schüler sollen gegen die Gegner kämpfen und so die Welt vor dem Untergang retten. Einer von ihnen kommt auf die Idee, dem Roboter gar einen Namen zu geben: “The Earth”. Doch was die teils enthusiastischen, teils verhaltenen Schüler zunächst nicht wissen ist, dass die ganze Sache zwei grosse Haken hat: Einerseits sind die Schäden, die der Riesenroboter “The Earth” an Gebäude und Menschen anrichtet, real, und andererseits funktioniert der Roboter nur mit der Lebensenergie des jeweiligen Piloten.
Wurde in Naru Taru zunächst die Idee thematisiert, was psychologisch labile Jugendliche mit ihrem jeweiligen Horrorpokémon machen würden, so steckt in Bokurano der Gedanke, wie unterschiedliche Teenager reagieren würden, wenn sie mit einem Riesenroboter gegen ebensogrosse Gegner kämpfen und unschuldige Opfer in Kauf nehmen müssten. Dementsprechend liegt der eigentliche Fokus der düsteren SF-Serie auf den zwischenmenschlichen Beziehungen und nicht auf rasante Actionszenen. Die Machart der Serie – bisher vom Studio GONZO gekonnt umgesetzt – unterstreicht dies: Die Kämpfe der Roboter sind meist von kurzer Dauer; umgekehrt verbringt der Zuschauer viel Zeit mit den Sorgen und Ängste der verschiedenen Figuren. Die langsamen Bewegungen von “The Earth” und seiner Gegner, deren lauten mechanischen Geräusche und die bedrohliche Hintergrundmusik, alles zusammen wirkt äusserst beunruhigend und fast hypnotisierend. Spannend ist die Serie auf jeden Fall. Empfehlenswert für alle Zuschauer, die auf der Suche nach der etwas anderen dramatischen SF-Serie sind.
Seto no Hanayome: **, m h+ ni
In den letzten Jahren wurden viele “Moe”-Serien produziert, in denen archetypische Figuren das Herz der männlichen Zuschauer gewinnen sollen. In meinen Augen mangelte es jedoch an wirklich lustigen, klassischen “Boy meets Girl”-Comedyserien. Seto no Hanayome füllt diese Lücke und glänzt durch ein irres Gag-Tempo, zahlreiche Wortspielereien und durchgeknallten Figuren, die panisch herumschreien und sich sonst hysterisch benehmen.
Der Schüler Nagasumi ertrinkt während seinen Sommerferien beihahe im Meer und wird von der Meerjungfrau San Seto gerettet. Nun gibt es ein Gesetz, wo eine Meerjungfrau daran glauben muss, wenn sie von Menschen in ihrer wahren Form gesehen wird. San ist nämlich die Tochter des Oberbosses vom Seto-Clan, eine Art Unterwassermafia. Sans Vater, Gozaburô Seto, ist alles andere als erfreut über das, was passiert ist. Es bleibt nur die Möglichkeit, Nagasumi mit San zu verheiraten, um ihr dieses Schicksal zu ersparen, doch das passt Gozaburô noch weniger, und so sind Komplikationen mit Nagasumi vorprogrammiert.
Neben dem irren Tempo und den lustigen Figuren, gefällt mir auch das Opening “Romantic Summer”, die eine leichte Mischung aus leichter Rockmusik und Enka-Ballade ist; die vielen Veräppelungen von Yakuzaklischees und der Einsatz von Enka-Musik. Die Serie basiert auf den gleichnamigen Manga von Tahiko Kimura und überflügelt diesen mit einem einfallsreicheren Einsatz verschiedenster Grimassen, Anspielungen auf weitere Animes und einer Verdichtung der Gags. Alle Liebhaber klassischer “Boy meets Girl”-Serien und guter Comedy müssen hier unbedingt mal reinschauen. Kleiner Wehrmutstropfen: Nach den ersten drei Folgen nimmt die Originalität der Gags ein wenig ab und die Serie droht wegen der Einführung mässig lustiger Nebenfiguren zu einem klassischen Harem-Anime zu werden. Trotzdem: Seto no Hanayome ist die wahrscheinlich lustigste Comedyserie der Frühlingssaison.
Ookiku Furikabutte: ***, a+ m+ g f Me
Hier haben wir einen der heimlichen Stars der Saison. Ookiku Furikabutte ist die etwas andere Sportserie, in der ein talentierter Baseballwerfer namens Ren Mihashi Teil eines neuen Baseballklubs seiner gewählten Oberschule wird. Das Problem mit Ren ist, dass er in seinem alten Klub von seinen früheren Teamkameraden wegen seines Status als Günstling – seine alte Schule gehört seinem Grossvater – gehasst wurde und er davon riesige Komplexe hat. Seine neuen Teamkameraden erkennen schnell sein grosses Talent, allen voran Catcher Takaya Abe, der aus Ren die Topnummer des Teams machen will. Die Trainerin des Teams, eine junge kräftige Frau namens Risa Momoe, ist ganz enthusiastisch über all die jungen talentierten Spieler und will das Team ganz weit nach vorne bringen.
Ookoku Furikabutte hat alles, was eine gute Sportserie braucht: Sie führt die einzelnen Figuren mit ihren Stärken/Schwächen gut in die Handlung ein, sie schafft es, aus einfachen Übungsmatches Spannung aufzubauen und sie ist recht gut animiert (nicht unwichtig bei einer Sportserie, wo der Fokus schliesslich oft auf Action steht). Am meisten gefällt mir bei Ookiku Furikabutte der realistische Umgang mit Baseball und die vielschichtigen Figuren. Die Serie verlangt von den Zuschauern zwar einiges an Fachkenntnissen ab; nicht jeder versteht Fachlingo wie “nai ka” (nice catch) oder geschweige die verschiedenen Regeln des Baseballsports, doch das macht meiner Ansicht nach auch den Charme der Serie aus. Die Handlung nimmt sich Zeit, um die Zuschauern in die Psychologie des Spiels einzuführen, was faszinierend ist – vorausgesetzt, man interessiert sich natürlich für Baseball. Weitere Highlights der Serie ist die qualitativ überdurchschnittlich gut geratene Animation, die ausdrucksstarken Characterdesigns und die stimmungsvolle Musik. Hinter dem Anime steckt ein Teil der Macher von Honey & Clover, und das sieht man der Serie eindeutig an.
Ookiku Furikabutte basiert auf den gleichnamigen Manga von Asa Higuchi, der in der bekannten Mangazeitschrift Afternoon erscheint. Es ist schon ungewöhnlich, dass eine Frau einen Sportmanga zeichnet; weniger ungewöhnlich sind jedoch ihr realistischer Umgang mit dem Sport und die Involvierung der Figuren in den Sport: Asa Higuchi studierte an ihrer Uni Sportpsychologie. Gerade vor ein paar Tagen wurde ihr für Ookiku Furikabutte ausserdem der diesjährigeKôdansha Manga-Preis verliehen, und letztes Jahr gewann sie den Tezuka Kulturpreis in der Sparte “neue Hoffnung” für neue Ausdrucksmöglichkeiten in Baseball-Mangas.
Es mag vielleicht ein kleines Details sein, aber man merkt es der Serie an, dass hinter ihr eine Frau steckt. Die auf viel Vertrauen und Verständnis basierende Beziehung zwischen Mihashi und Abe hat eine leicht homoerotisch angehauchte Komponente, die einfach nicht zu übersehen ist und die ich köstlich amüsant finde. Ich musste bei den Szenen lachen, in der Abe nach den Händen des völlig weinerlichen Mihashi greift und sie festdrückt. Die Reaktion der beiden – einer ist davon sehr gerührt, für den anderen ist das schlicht peinlich – ist Gold wert.
So, das wars für Teil 1. In Teil 2 folgt dann meine Ansicht über 3 weitere aktuelle Serien.
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