Eigentümliche Animation bei Urusei Yatsura
In den letzten Monaten schaue ich wieder vermehrt Urusei Yatsura – über die vielen Jahre hinweg gesehen wohl meine grosse Lieblingsserie. Bei Folge 149 bin ich auf eine 25-sekündige Sequenz gestossen, die mich zum Nachdenken gebracht hat. Nicht etwa, weil in dieser Einstellung einige Mädchen beim Umziehen zu sehen sind, sondern weil die kurze Sequenz mit Liebe zu kleinen Details animiert wurde und dadurch viel Bewegtes zu sehen ist. Dass ausgerechnet bei einer solchen Einstellung ein Animator sich etwas mehr ins Zeug gelegt hat als auch schon, sagt schon etwas über die Fetischvorlieben dieser Person aus. Oder auch über die meinen. Wobei nein, ich schaue hier nur auf die Animation. Ich schwörs!
http://www.youtube.com/watch?v=uvAJkr1i08o&start=439#t=07m18s
Was hier zuerst ins Auge sticht, ist, dass für die Animation mindestens drei bis vier unterschiedliche Ebenen gebraucht wurden, also mindestens 3-4 verschiedene Cels, in denen die Figuren jeweils unabhängig voneinander animiert wurden. Das ist für damalige TV-Verhältnisse eher selten gewesen, aber auch bei späteren TV-Serien sind solche Multi-Cels Szenen rar. Der Hauptgrund ist natürlich der zusätzliche Aufwand, der hier anfällt. Ein anderer Grund ist aber auch, dass die Hintergründe wegen den mehreren übereinander gelagerten Cels Gefahr laufen, zu dunkel zu geraten.
Mir gefällt in dieser Sequenz, wie scheinbar überflüssige Details aus Liebe zu diesen vom zuständigen Animator extra mit eingebaut wurden. So streicht etwa Shinobu sich durch die Haare, nachdem sie ihr T-Shirt angezogen hat (7:45). Überhaupt ist Shinobu in dieser Einstellung wirklich detailreich animiert, wie sie sich umzieht. Die Animation selber ist nicht wirklich besonders flüssig geraten oder von den restlichen Szenen dieser Folge abgehoben, sie ist aber sauber geraten und das, wie gesagt, gleich auf mehreren Ebenen.
Diese eine kurze Sequenz erinnert mich auch an eine Einstellung aus Urusei Yatsura – Beautiful Dreamer, den zweiten Film von UY. Hier sitzen alle Figuren bei den Moroboshis zu Tisch und füllen sich den Bauch voll (ein Zeichen, dass der Film von Mamoru Oshii ist: In seinen Serien und Filmen sieht man immer mindestens eine Szene, wo die Figuren beim Essen sind). Shinobu wird wütend, weil ihr alle zu laut sind.
http://www.youtube.com/watch?v=teMP38jvJkc&start=294#t=04m53s
Diese längere Sequenz ist mir schon vor Jahren aufgefallen, einfach weil sie grundsätzlich einmal toll animiert ist. Auch hier bewegen sich fast alle Figuren unabhängig voneinander auf mehreren Cels. Zusammen mit dem Durcheinander beim Dialog wirkt die Szene recht natürlich. Es sieht so aus, als ob bei dieser Stelle zuerst die Stimmen der Synchronsprecher aufgenommen wurden, und erst dann im Anschluss diese Sequenz, in etwa analog zu den verschiedenen Stimmen, animiert wurde.
Ich bin mir sicher, dass Moriyama Yuuji (Project A-Ko, Agent Aika…) für diese Sequenz verantwortlich war. Dafür spricht die Art und Weise, wie die Figuren aussehen und animiert sind: Sie neigen dazu, recht schräge Grimassen zu schneiden, ihre Mäuler weit aufzureissen und Zähne zu zeigen (siehe Shinobu in 5:19). Diese Art von Squash & Stretch-Animationstechnik ist ein stillistisches Markenzeichen von Moriyama, das man auch bei den TV-Folgen beobachten kann, wo er den Posten des Chief Key Animator innehatte oder für einige Genga (Key Animation)-Sequenzen verantwortlich war.
Moriyamas Animationen in Urusei Yatsura sind qualitativ für TV-Verhältnisse hochwertig, aber nicht wirklich auffällig. Sie fügen sich recht gut in die anderen Szenen der restlichen Animatoren ein. Es gibt in der TV-Serie und den Filmen von Urusei Yatsura jedoch ganz bestimmte Szenen, die eine sehr eigentümliche Animation haben. Wenn ihr Szenen seht, wo Figuren plötzlich stellenweise mit übertrieben Proportionen gezeichnet sind oder wo sie oft mit den Armen nach oben dynamisch herumrennen, dann stehen die Chancen gut, dass ihr mit der Arbeit von Yamashita Masahito in Berührung gekommen seid.
Yamashita Masahito (????) ist ein Schüler des kürzlich verstorbenen Meister-Animator Kanada Yoshinori und einer der wichtigsten Animatoren der Achtzigerjahre. Sein dynamischer Stil ist unverkennbar und interessant zugleich. Die folgenden drei Minuten sind ein gutes Beispiel dafür, wie Yamashita mit einfachen Tricks für Geschwindigkeit und bizarre Dynamik sorgt.
http://www.youtube.com/watch?v=ZZ0nMM00buw#t=15m14s
Abgesehen von der langen und brillanten Sequenz aus der Sicht des rennenden Ataru (eine Szene, für die Yamashita ziemlich bekannt worden ist; von 16:45 an) mit den vielen Blickfängen, möchte ich hier zuerst auf eine Szene am Anfang hinweisen. Der durchgeknallte Mönch Cherry ist mit feinen Stellen durchzogen, bei denen man auf die hintere Ebene sehen kann (15:37). Diese Lücken in Cherry sind ein optischer Trick, um dynamische Geschwindigkeit zu erzeugen, ähnlich wie Speedlines inMangas.
Ein weiteres Markenzeichen von Yamashita ist, dass die Figuren bei ihm selten ruhig und konstant im Bild stehen bleiben, sondern dass sie grösser oder kleiner werden, so als ob die Kamera sich ihnen nähern oder entfernen würde. Ein gutes Beispiel seht ihr gleich zu Beginn beim fliegenden Ten-chan oder auch beim seitlich rennenden Ataru. Noch ein weiteres Merkmal ist, wie bereits geschrieben, die verrückte Art und Weise, wie er herumrennende Figuren animiert. Bei ihm reissen sie meist ihre Arme angewinkelt in die Höhe, und die Proportionen des Körpers wirken oft verzerrt (achtet dabei mal auf die Grossaufnahme von Atarus Beinen). Das alles wirkt so eigenartig bizarr, dass es wiederum lustig ist.
Yamashitas Art und Weise zu animieren ist dermassen eigentümlich, dass sie zwangsweise etwas aus dem Rahmen fällt. Leider scheuen Produzenten heutzutage davor, solche auffälligen Animationsszenen in TV-Serien einzubauen; schon schlicht einmal deshalb, weil heutige Animefans solche Sequenzen meist als schlecht animiert empfinden und lieber einen aalglatten und unauffälligen Stil bevorzugen; einen Stil, der nicht vom Restlichen ablenkt (man erinnere sich nur schon an den Aufruhr wegen Folge 4 von Gurren Lagann oder wegen der einen Kampfszene in Birdy the Mighty Decode Episode 7). Doch damals neigte man auch in Mainstream TV-Serien dazu, der Arbeit talentierter Animatoren gegenüber aufgeschlossen zu sein. Mamoru Oshii zollte Yamashita in Beautiful Dreamer insofern Respekt, als dass er diesem gleich die Animation der ganze Spukszene in der Schule überlassen hat. Ohne Yamashitas Talent wären die folgenden Minuten niemals so wirkungsvoll geraten, wie sie es nun sind. Hier fällt auch auf, wie Yamashita Schatten- und Lichteffekte animiert. Er bevorzugt für das Licht und die Schatten stark quadratische und zergliederte Formen. Bei ihm spielt als Spiel der Formen eine noch grössere Rolle als möglichst lebensnaher Realismus. Dadurch zieht er die Aufmerksamkeit des Zuschauers auf seine Arbeit, was bei sonstigen Effekten weniger der Fall ist.
http://www.youtube.com/watch?v=O7j0g-N6L20&start=120#t=01m38s
Zum Abschluss ein paar Szenen, die nicht durch gute Animationen oder Formenspiele glänzen, sondern einfach nur lustig oder auch psycho sind. Lum trainiert, um auf natürliche Art und Weise einen übermächtigen Gegner in einem Duell schlagen zu können. Und im zweiten Ausschnitt realisiert Lum mit Horror, dass sie sich noch immer in einer Parallelwelt befindet, weil ihr Darling darin der perfekte Lover ist (eine Folge mit Moriyama Yuuji als Chief Key Animator).
Das erinnert mich daran, dass Lum und die anderen Figuren im Verlauf der Serie nach und nach realistischer portraitiert wurden, insbesondere Lum: War sie am Anfang noch ein aggressives Huhn aus dem All, die an Ataru wie eine Klette hing – halt eine recht eindimensionale Comedy-Figur-, so änderte sich ihr Charakter in den ersten zwanzig Folgen zunächst einmal radikal. Sie wurde zunehmend lieblich dargestellt, wurde in die selbe Klasse wie Ataru eingemustert, und in späteren Folgen erhalten wird auch ruhige und bittersüsse Szenen, in denen wir einen tieferen Einblick in ihre Seele erhaschen können. Sie ist eine (fliegende) Fantasyfigur, die zunehmend aus den Lüften auf den Boden der Realität gezogen wurde – Oshii sei dank.
http://www.youtube.com/watch?v=eh4LZMcd3xU&start=212#t=03m26s
http://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=zfbHXselJAY#t=19m50s
Sehr guter Beitrag, vielen Dank!
Bin ich froh, dass ich deinen Blog entdeckt habe. Ein Beitrag ganz nach meinem Geschmack. :)
Wenn man darauf achtet, dann fällt einem wirklich schon schnell auf, dass die Serie in Sachen Animationen, Maison Ikkoku, die nächste große Serie von Takahashi, locker übertrifft; gilt sicherlich auch für viele andere Anime damals. Da sieht man schon, dass, egal in welchem Bezug auch immer, ein Werk mit Beteiligung von Mamoru Oshii immer was besonderes auf die ein oder andere Art ist. Deine Videos sind jedenfalls sehr gut; die Methode mit den verschiedenen Cels kommt super rüber. So viel Bewegung sieht man selbst bei heutigen Anime nur selten.
Die Szene mit dem Spukhaus finde ich aber noch eine ganze Ecke besser. Beeindruckende Arbeit, die Yamashita Masahito da abgeliefert hat. Die ganzen Licht- und Schattenspiele gefallen schon sehr, besonders fixiert hab ich mich aber auf Lum und ihre Flügkünste – auch wieder so ein Fall, wo man fast alles von ihr animiert hat: Der Rock, der Körper (gesamt und einzelne Teile davon) und die Haare; ich hab mir das jetzt schon einige Male angesehen und kann die entsprechende Folge dennoch kaum abwarten. Diese paar Minuten dürften insgesamt schon weit besser animiert sein, als fast alle Episoden von aktuellen Serien der letzten 12 Monate. So ganz spontan fallen mir nur kürzlich erschienene Naruto-Folgen ein, die ein ähnlich hohes Niveau hatten. Schon ein Trauerspiel… .
Mir ist bei der Spukszene übrigens auch aufgefallen, dass Shinobu ziemlich stark zu sein scheint. Hab ich wohl irgendwie verpasst, dass sie eine Art Saiyajin darstellt, oder kommt das erst noch? Bin gerade bei Episode 56.
Die beiden letzten Videos hab ich mir mal vorerst gespart, da sie ja nur “normale” Stellen zeigen und ich mich schon genug gespoilert habe.^^
Ach, gerade gesehen, dass das Geisterhaus ja auch erst in Beautiful Dreamer auftaucht. Dann ist es auch kein Wunder, dass es so viel besser als der Rest aussieht. Aber es gibt dennoch genug Beispiele aus der Serie, welche aktuelle Anime spielend übertreffen.^^
Ich kenne nur das erste Drittel und das Ende der Maison Ikkoku TV-Serie, aber was ich davon gesehen habe, kommt meiner Ansicht nach an die Qualität der besseren UY-Folgen heran. Nach dem Ende der Urusei Yatsura TV-Serie produzierte Studio Deen mit Kazuo Yamazaki als nächstes Projekt gleich Maison Ikkoku.
Verglichen mit heutigen TV-Serien kommt die Detailvielfalt von alten TV-Serien wie UY, die alle noch brav mit Cels animiert wurden, in Sachen Character Designs nicht heran. Dank Digital Ink-Paint kann man heute die Linien der Character Designs viel feiner gestalten und mit schattierten Details versehen – alte Serien wirken da eben halt viel “cartoonhafter”. Umgekehrt glänzen manche Episoden von Urusei Yatsura oder andere älterer Cel-Animation TV-Serien eben gerade durch viel Bewegung in gewissen Schlüsselstellen, oder durch idiosynkratische Animation. Sowas findet man auch heute, aber man muss es im Mainstream teils suchen. Oder gleich auf spezielle Serien zurückgreifen. Soeben gerade habe ich z.B. die ersten beiden Folgen von “Sankarea” gesehen und muss sagen, dass z.B. die Character Designs und die ganze Hintergründe und Farbpalette sehr sauber und detailiernd sind, alles ist sehr atmosphärisch geraten, aber wie genau die Figuren und Gegenstände jetzt animiert wurden, das alleine ist halt nicht wirklich interessant.
Wenn dir die Spukszene im Schulhaus so gefällt, dann kannst du ja einmal wagen, beim dritten Film “Remember my love” reinzusschauen, genauer gesagt die folgende Verfolgungsjagd bis zum Spiegelkabinett. Keine Sorge, das alles ist kein echter Spoiler:
http://www.youtube.com/watch?v=4gah6GRcQ4I&t=5m32s
Wurde Shinobu nicht schon als physisch ziemlich stark in den ersten 50 Folgen gezeigt? Ich habe das nicht mehr so in Erinnerung. Auf jeden Fall ist ihre Herkules-Kraft eine Art Standart-Gag geworden. Sie kann schwere Gegenstände wie Pulte jonglieren oder Gegenstände aus Eisen verbiegen. Meistens wenn sie über Ataru oder Jungs im Allgemeinen wütend ist.
Ich müsste in Maison Ikkoku nochmal reinschauen, um mich zu vergewissern, aber es wäre mir neu, dass sich dort, zumindest im Bereich der Animationen, soviel tut wie bei UY. Damals hab ich zwar noch nicht so intensiv darauf geachtet, aber das einzige, an was ich mich erinnere, sind Standbilder, Speedlines, beschränkte Bewegungen und Closeups – bei UY bin ich bisher weitgehend verschont geblieben. Kann mich da aber auch irren, wie gesagt.
Ja, das Charakterdesign der alten Serien ist immer so ein Faktor, der einen an guter Animation zweifeln lässt. Ich selber achte ja grundsätzlich nur auf die Bewegungen an sich, wobei bei alten Serien auch die Art der Bewegung oft ein Problem sein kann (wie du schon sagtest, cartoonhaftig). Und die ganzen Schattierungen oder was man da oft in den Gesichtern zwischen Nase und Augen findet, wirkt auch nicht gerade positiv (auch wieder sehr oft in Maison Ikkoku zu sehen, wobei es gegen “Ende” abflaut).
Hast du Sankarea wegen DEEN angefangen? :D Beim Studio sollen ja mittlerweile einige Leute von SHAFT arbeiten und vor allem der Regisseur von Sankarea ist scheinbar fähig – aber direkt animieren tun dann wohl wieder andere.
Ich glaube nicht, dass du dich da gross geirrt hast. Soweit ich mich noch erinnere, waren bei den ersten Folgen noch Yuuji Moriyama und Tsukasa Dokite als Animation Directors tätig. Gerade Tsukasa Dokite hat einen etwas eigenwilligen Stil (z.B. haben bei ihm alle Figuren recht lange Beine, dicke Umrisse und mehr Schatten in den Gesichtern). Aus irgendeinem Grund haben die zwei beschlossen, dass die ersten handvoll Folgen wie animierte Abzüge aus einem Manga wirken anstelle organisch zu sein wie in manchen der älteren UY-Folgen (das hier angesprochene “Problem” wirst du später bei UY, so um die Folgen 140~196 herum, leider auch des Öfteren antreffen).
Sankarea habe ich nur deshalb angefangen, weil ich bislang nur Gutes darüber gehört habe, auf das Studio habe ich dabei nicht geachtet. Hättest du es nicht erwähnt, würde ich es jetzt nicht wissen, dass da auch Leute von SHAFT mitarbeiten. Bei SHAFT denke ich nämlich an Serien mit weitaus abstrakteren Hintergründen und sonstigen graphischen Spielereien als an einer quasi “klassisch” animierten Serie wie Sankarea.
Bislang (Folgen 1 & 2) gefällt mir Sankarea recht gut, was mich etwas überrascht, denn ich mag den Autor der Mangavorlage, Hattori Mitsuru, nicht so besonders (also natürlich seine Werke, nicht der Autor selbst ;->).
140-196? Ob das ein Zufall ist, dass kurz davor Mamoru Oshii das Team verlassen hat? Aber Na ja … da ja solche Fälle wie Folge 149 auch darunter sind, werden sie wohl insgesamt nicht ganz so schlimm ausfallen.
Sankarea hab ich selber nicht angefangen, aber es heißt von allen Seiten immer wieder, dass die Serie den “SHAFT-Stil” hat. Wobei es ab Episode 4 oder so stark bergab gehen soll.