Trash-Anime ahoi! (Del Power X)
Ich gebs zu: Ich bin ein Fan von Animes aus den Achtzigern. Generell gefallen mir die dort eingesetzten Zeichenstile, der damals in Mode gewesene J-Pop und der unbeschwerte, spielerische Umgang mit klassischer Zeichentrickanimation. Urusei Yatsura und Maison Ikkoku sind da sehr gute Beispiele für zwei Animes, die mir diesbezüglich gefallen. Was in diesem Jahrzehnt jedoch auch produziert wurde, ist teils purer Trash. Der Anime, um den es heute geht und der in den Neunzigerjahren von Fans ins Englische übersetzt wurde, ist so ein Trash-Titel. Eine absolut unbekannte, superschrottige Gurke namens Bakuhatsu Del Power X – Mirakuru genki!! (???????????????!!), eine OAV von 1986.
Del Power X basiert auf einem Manga namens Zettai hakuryoku Del Power X von Tomato Aki und Tsukamoto Yumiko, der in der mittlerweile eingestellten Animezeitschrift The Anime (?????) erschien und später als Einzelband herauskam.
Die Handlung ist einfach zu erklären: Die 14-jährige Schülerin Manami Hanegi vergisst auf dem Weg zur Schule ihr O-Bento. Das bringt dann ihr verrückter Grossvater und Erfinder Yanami Gatsuemon in einem eigens für sie konstruierten Powersuit-Mecha mit, das er “Del Power X” getauft hat. Auf dem Weg zur Schule und auf dem Schulgelände kriegt Grossvater Gatsuemon es mit einem alten Widersacher namens Von Gettsel zu tun, der nach Rache dürstet und Gatsuemon nun in seinem Powersuit-Mecha namens “Zolingen” zum Kampf herausfodert.
In der Schule attackiert Von Gettsel Gatsuemon mit einem Kick unfairerweise von hinten und schleudert diesen aus Del Power X raus. Vom Vorfall schockiert, steigt Manami zunächst noch unfreiwillig in Grossvaters Powersuit und fordert dann Von Gettsel entschlossen zum Kampf heraus als sie feststellt, dass der zuvor ihr geliebtes O-Beto plattgemacht hat.
Manami schafft es sogar, ihn zu besiegen, doch da taucht ein muskulöser Ausländer namens Nick Jagger auf und kommt seinem Boss Von Gettsel zu Hilfe. Mr. Jagger verdrischt zunächst kurzerhand Manamis heimliche Flamme Yousuke Miyamoto, der sich schützend vor ihr und Gatsuemon gestellt hat. Minami, leicht irritiert von der abstrusen Situation und dem plattgemachten Bento (+ Freund), nimmt ein Duell Von Gettsels an.
Am nächsten Morgen verdreschen sich Manami und Nick Jagger – in ihren jeweiligen Power Suits – in einem Freizeitpark in bester Wrestling-Manier; das Ganze vor den Augen der gesamten Schulklasse. Zwischendurch tauchen plötzlich – ohne weitere Erklärung – zwei Ausländerinnen namens Laura McLaren und Suzi Willis auf, die sich ebenfalls am Kampf beteiligen und dafür von Professor Von Gettsel gerügt werden. Am Ende schafft es Manami, mit einem Killergriff Nick Jagger in seinem Galacuress zu schlagen. Und der Anime ist nach 42 Minuten zu Ende. …
Klingt gut, was? :-)
Del Power X ist ein gutes Beispiel für die damals in Mode geratenen Parodie-Animes, die das Genre der School-Comedy meist mit Super Sentai, Wrestling und Science Fiction kreutzten und in denen zumeist unschuldige, schwache Mädchen im richtigen Moment zu kraftvollen Heldinnen aufblühten. Ein Beispiel für eine wirklich gelungene und witzige Parodie wäre Yuki Masamis Assemble Insert. Del Power X ist jedoch so schlecht und langweilig geraten, dass der Anime dadurch eher unfreiwillig komisch ist, als dass es wirklich so geplant gewesen wäre, was wiederum komischerweise sein Charme ausmacht: Die Gags sind bis auf wenige Ausnahmen einfach … uninspiriert und zu vorhersehbar. Es wird auf parodistische Art und Weise gekämpft, und zwischendurch kann man(n) Manamis pinke Unterwäsche erhaschen (schnelle Finger auf der Pausentaste vorausgesetzt ;->). Die Idee, Super Sentai mit Wrestling zu kreuzen, ist selbst für die damalige Zeit bereits zu ausgelutscht, um wirklich unterhalten zu können – geschweige denn das heute verwöhnte Anime-Publikum. Die Sprecher, allen voran der von Grossvater Gatsuemon, labern unmotiviert ihre Zeilen herunter; besonders am Anfang ist das hörbar. Als die Figuren mit Untertiteln vorgestellt werden, kommen auf der Tonspur unnatürlich lange Pausen vor, und letztendlich ist die Handlung dünner als ein Feigenblatt. Der Humor kommt eher durch die wirklich superdämlichen, nichtjapanischen Namen. Bei “Nick Jagger” hats mich vor Lachen fast vom Stuhl gehauen, ehrlich.
Die technische Ausführung ist wegen der schlechten Qualität meines vorliegenden Fansubs schwer zu beurteilen. Es gibt einige Einstellungen, in denen die Animation nicht schlecht zu sein scheint und auch etwas versucht wurde, mit der Perspektive zu spielen, aber letztendlich wirkt die OAV doch billig gemacht. Am meisten Freude machen da noch die Mecha-Designs der Powersuits und eine überlange Anfangssequenz mit einem Helikopter, der das Powersuit zum Haus der Hanegis transportiert. Das Mecha-Design von Powersuit Del Power erinnert mit seinen Kästchen und eckigen “Ausbuchtungen” (Stichwort “Transformers”) ans Industriedesign von Autos und Unterhaltungsgeräten der Achtzigerjahre.
Die Characterdesigns der OAV sind auch recht bizarr ausgefallen: Fast jede Figur ist in einem anderen Stil gehalten. Das hat auch einen Grund: Beim Character Design sind gleich 7 bekannte Personen aufgelistet (!), unter anderem Haruhiko Mikimoto, Ashida Toyoo, Izubuchi Yutaka, Inomata Mutsumi und Nagano Mamoru. Die OAV versucht hier also mit ihrer selbstreflexiven Machart zu unterhalten und Animefans was zu bieten.
Bei den eher rundlichen Gesichtszüge und Augen der Heldin Manami glaube ich, das Design von Inomata Mutsumi zu erkennen. Ihr Stil kennt man aus Leda oder Brainpowered.
Nagano Mamoru dürfte für das Design eines leicht effeminierten Klassenlehrers namens “Charlie Secto” verantwortlich gewesen sein. Hier erkennt man einfach sein “Bishounen”-Stil aus Dunbine oder Five Star Stories.
Haruhiko Mikimoto ist wiederum verantwortlich für das Design einer Klassenkameradin von Manami. Sein Stil ist unverkennbar, wenn man seine Mangas oder Character Designs zu Animes wie Macross bereits kennt.
Shigeno Shûichi, bekannt als Mangazeichner von Initial D, steckt wiederum hinter der Figur von Yousuke Miyamoto. Das verraten die leicht kantige Gesichtsform und diese rechteckige Augenform mit diesen dicken Augenbrauen. Initial D, anyone?
Ashida Toyoo wiederum macht sich mit Ken im Hintergrund aus Fist of the North Star.
Zuletzt bleibt noch zu sagen, dass der Anime in Japan nie auf DVD erschienen ist und heute nur mit viel Glück auf VHS oder Laserdisc gefunden werden kann. Es soll auch ein Soundtrack existiert haben.
I’m Nick Jagger and I like them young! – rofl, grossartig.
Schön zu sehen, dass es auch früher Trash-Animes gab, die man ohne grossen Vorbehalt spülen konnte. Leider ist es heute ja so, dass man(n) irgendwie mindestens 75% der neu anlaufenden Serien spülen kann – jedenfalls in der aktuellen Season.
Ohne diese OVA im Speziellen gesehen zu haben: Ich hatte schon immer ein Problem mit Anime aus den 80ern, die ich in den 90er gesehen hab, die auf Manga aus den 70ern basieren, die Anime der 60er parodieren, die in den 50ern populär waren, weil sich der Trend aus den 40ern grad wiederholte…
Über Ziel hinaus? Echt? Ok, ok! Aber fast!
Jedenfalls hab ich’s schon öfters gehabt, daß ich in einer dieser OVAs dachte “hm, das wäre jetzt bestimmt wahnsinnig komisch, aber ich raff’ die Parodie nicht! Scheisse! Wieder mal 10 Jahre zu spät im falschen Land geboren!”. Wahrscheinlich fühlt sich der aktuelle Naruto-Fan (vorausgesetzt der merkt überhaubt noch was, da bin ich mir nie so sicher) genauso, wenn er eine der guten Folgen von Keroro schaut.
Es gibt in dieser OAV, soweit ich das beurteilen kann, eigentlich nicht viele Anspielungen. Eine sind eben die Character Designs (der Ken im Hintergrund ist absolut unverkennbar), und sonst gibts all die Wrestling-Moves. Aber sonst? … Wahrscheinlich verpasse ich hier und da eine Anspielung auf ältere Mecha-Anime oder eine Sentai-Serie. Ich kann es verschmerzen. Letztendlich bietet mir ein Anime wie Project A-Ko oder einfach viel mehr Futter zum staunen und lachen.
Bei Keroro muss ich mal die Folge sehen, die auf das Tokiwaso-Apartment und Osamu Tezuka anspielt. In der deutschen Manga-Übersetzung von Tokyopop fehlt dazu jeglicher Kommentar. Vielleicht haben es die Übersetzer es auch nicht ganz gerafft, worum es dort ging…